Der Stadtverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Chemnitz setzt sich für eine zeitlich befristete Förderung/ kommunalen Zuschuss zur Finanzierung der Betriebskosten des Geburtshauses Chemnitz ein. Ferner soll die Zahl der aktuell tatsächlich tätigen freiberuflichen, Beleg- und Klinikhebammen sowohl in der Geburtshilfe als auch im Bereich der Vor- und Nachsorge ebenso wie der Bedarf in Chemnitz quantitativ erfasst werden. Der Stadtrat möge sich auf der dafür zuständigen Bundesebene sowie überregional und vor Ort für eine Lösung des Problems der Hebammenverknappung stark machen.
Begründung: Die freie Wahl des Geburtsortes ist ein Menschenrecht und kein „zusätzliches, alternatives Gesundheitsangebot“, als das es in der Beantwortung einer Ratsanfrage von der Stadtverwaltung ausgewiesen wird. 2010 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die europäischen Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet sind, das Recht der Frauen auf die freie Wahl des Geburtsortes und der Geburtsbegleitung zu garantieren. Jedoch ist gerade dies nicht mehr gewährleistet, denn im Zuge stetig steigender Prämien für Haftpflichtversicherungen haben etliche freiberuflich arbeitende Hebammen ihre Tätigkeit in der Geburtshilfe aufgegeben. Viele bangen um ihre Existenz. Zwar erhalten freiberufliche Hebammen seit Januar eine Beihilfe von den Krankenversicherungen zur Deckung der Haftpflichtprämie. Gleichzeitig steigen die Versicherungskosten weiter an. Die Entwicklungen haben inzwischen eine massive Verknappung an Hebammen nach sich gezogen. Eine flächendeckende Versorgung in der Schwangerschaft und im Wochenbett ist in Gefahr. Geburten außerhalb von Kliniken sind kaum noch realisierbar.
Obwohl sie keine eigenen Zahlen vorlegen kann, ist der Stadtverwaltung Chemnitz selbst keine Verknappung freiberuflicher Hebammen bekannt. Berichte aus Eltern- und Hebammenkreisen widersprechen dem jedoch vehement. Die Nachfrage übersteigt das Angebot der Hebammenversorgung in Chemnitz erheblich. Der beachtliche Anstieg an Geburten in der Stadt verstärkt dies zusätzlich. Auch die Zukunft des Chemnitzer Geburtshauses ist dadurch beeinträchtigt und zunehmend ungewiss. Unter dem Druck der kaum noch erschwinglichen Versicherungsprämien haben sich Geburtshaushebammen aus der freiberuflichen Arbeit zurückgezogen. Nachfolgerinnen konnten trotz einer aktiven Suche bislang nicht gefunden werden. Ohne diese ist eine kostendeckende Arbeit der Einrichtung nicht möglich. Aber um außerklinische Geburten in der Stadt zu ermöglichen, braucht Chemnitz ein Geburtshaus.
Auch wenn die Probleme der Hebammenversorgung auf Bundesebene gelöst werden müssen – wenn das einzige Geburtshaus der Stadt, das neben den Leistungen im Bereich der Geburtshilfe, der Vor- und Nachsorge auch als soziokulturelles Zentrum in Chemnitz einzigartig und von stadtweiter Bedeutung ist, auf dem Spiel steht, ist die Kommune in der Verantwortung, gegenzusteuern. Chemnitzer Familien haben bereits eine große Spendenbereitschaft bewiesen. Jedoch reicht dieses Engagement nicht aus. Um das Geburtshaus zu erhalten, bedarf es einer Beteiligung durch die Stadt. Viele Kommunen haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Hebammenversorgung vor Ort zu sichern, darunter nicht nur große finanzstarke Städte wie München, Stuttgart und Düsseldorf. Der Kreistag Nordfriesland hat Mittel bereitgestellt, um Hebammen mit Hausgeburtshilfe bei der Finanzierung ihrer Haftpflichtprämie zu unterstützen. Die Gemeinde Lörrach zahlt dem Geburtshaus einen Mietzuschuss. Die akute Situation erfordert auch in Chemnitz sofortiges Handeln, denn wenn bestehende Strukturen wie das Geburtshaus erst einmal weggebrochen sind, kann es Jahre dauern, bis diese – wenn überhaupt – neu entstehen. Ein Verweis auf Nichtzuständigkeit der Kommune ist deshalb nicht hinnehmbar.
– Beschluss der Mitgliederversammlung vom 16.09.2016 –
Weitere Informationen:
Ratsanfrage zur Hebammensituation in Chemnitz
Informationen der Landtagsfraktion zur Hebammensituation in Sachsen