Einleitung der Luftreinhalteplanung


Beschlussvorschlag:

Der Stadtrat möge beschließen: 

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Benehmen mit den zuständigen Behörden des Freistaates unverzüglich Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs.2 BImSchG einzuleiten, um die bevorstehende Überschreitung der zulässigen Tagesmittelwerte für Feinstaub noch zu vermeiden. 

  2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Benehmen mit den zuständigen Behörden des Freistaates einen Luftreinhalteplan im Sinne des § 47 Abs.1 BImSchG für ganz Chemnitz, insbesondere das Hauptverkehrsstraßennetz, bis zum 30.9.2005 zu erarbeiten und dem Stadtrat zur Entscheidung vorzulegen.

    a) Der Luftreinhalteplan hat geeignete, erforderliche und konkrete Maßnahmen mit Zeitplan vorzusehen, um die Einhaltung des Jahresmittelwerts und der Tagesmittelwerte für Feinstaub für 2005 bis 2010 sicher einzuhalten. Dazu sind insbesondere auch Verkehrsbeschränkungen im Sinne des § 40 BImSchG zu prüfen.

    b) Der Oberbürgermeister veröffentlicht den Entwurf eines Luftreinhalteplans und lädt die Bürgerinnen und Bürger zu Stellungnahmen ein. Weiterhin hört er die beteiligten Gruppen (Verkehrs- und Umweltverbände, Wirtschaft und Einzelhandel) zum Entwurf des Luftreinhalteplans an. Er fügt das Ergebnis der Stellungnahmen und Anhörungen dem Entwurf bei und leitet ihn dem Stadtrat zur Entscheidung zu.

  3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zur schrittweisen Nachrüstung von Bussen der CVAG und Fahrzeugen der Stadtverwaltung mit Dieselruß – Partikelfiltern sowie deren Finanzierung/Förderung bis zum 30.9.2005 zu erarbeiten und dem Stadtrat zur Information vorzulegen.

Ergebnis:

Wir haben in der Stadtratssitzung vom 22.06.2005 unseren Antrag zur Einleitung der Luftreinhalteplanung in Chemnitz verteidigt. Den Antrag hatten wir vor der Sitzung der aktuellen Situation angepasst (siehe Redebeitrag). 

Der Antrag scheiterte an der Ablehnung der PDS, die es nach Aussage von Thomas Scherzberg (PDS und Vorsitzender AGENDA 21 Chemnitz) für unnötig hält, dass der Stadtrat Chemnitz mit einem Beschluss den zwischenzeitlich begonnenen Bemühungen der AG „Luftreinhalte- und Aktionspläne“ im Regierungspräsidium Chemnitz politischen Nachdruck verleiht.

Antragsbegründung:

1. Einführung 

2. Immissionssituation für Feinstaub
2.1. Messwerte 2005
2.2. Jahresmittelwerte 2002 und 2003

3. Gesundheitsschädlichkeit 

4. Luftreinhalteplanung
4.1. Rechtslage
4.2. Maßnahmenbündel
4.3. Luftreinhalteplanung in anderen Städten
4.4. Maßnahmen für Chemnitz

5. Nachrüstung von Bussen der CVAG und Fahrzeugen der Stadtverwaltung mit Dieselruß – Partikelfiltern 

1. Einführung 

Die Stadtverwaltung hat mit der Informationsvorlage I-31/2004 die Trends der Luftschadstoffkonzentrationen dargestellt. Dieser Bericht wird derzeit von der Verwaltung aktualisiert. Der Beschlussvorschlag soll die derzeitigen Anstrengungen der Verwaltung zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte sowie der sachlichen Aufklärung der Bevölkerung unterstützen, ergänzen und erweitern.
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2. Immissionssituation für Feinstaub 

2.1. Messwerte 2005

Im BundesImissionschutzGesetz (BImSchG) ist für Feinstaub (PM-10) ein 24-h-Grenzwert (sogenannter Tagesmittelwert) von 50 mikrogr/m3 festgelegt. Dieser Wert darf nur 35 mal pro Jahr überschritten werden. Als Jahresmittelwert gilt eine Grenze von 40 mikrogr/m3. 

Zwar ist die Entwicklung der Messwerte in Chemnitz nicht so bedrohlich wie in anderen Großstädten (siehe Bericht OB zur Stadtratssitzung vom 20.4.2005). Im Zeitraum vom 1.1. bis zum 30.3.2005 wurde der Tagesmittelwert von 50 mikrogr/m3 an der Messstation Chemnitz-Nord jedoch bereits 16-mal, in Chemnitz-Mitte 16-mal und in Chemnitz-Leipziger Straße schon 28-mal überschritten (Messdaten des Landesamtes für Umwelt und Geologie). 

Es ist davon auszugehen, dass spätestens in den ersten Sommermonaten mehr als 35 Überschreitungen zu verzeichnen sind. Damit würde geltendes Luftreinhalterecht verletzt.
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2.2. Jahresmittelwerte 2002 und 2003 

Die Entwicklung der letzten Jahre spricht ebenfalls dafür, dass eine Überschreitung nicht ausgeschlossen ist. Bereits 2002 wurde der Tagesmittelwert von 50 mikrogr/m3 in Chemnitz-Mitte 20-mal überschritten (Landesamt für Umwelt und Geologie „Immissionsbericht 2002“ S.35). 

2003 wurde an den Stationen Chemnitz Nord und Chemnitz-Mitte der Jahresmittelwert von 40 mikrogr/m3 mit 33 bzw. 32 mikrogr/m3 zwar eingehalten, der zulässige Tagesmittelwert von 50 mikrogr/m3 jedoch in Nord 61-mal und in Mitte 55-mal überschritten (siehe Informationsvorlage I-31/2004 „Trend der Luftschadstoffkonzentrationen in der Stadt Chemnitz im Jahr 2003“ S. 12). 

Die Untersuchungen der Stadtverwaltung lassen erkennen, dass nicht nur an den Messstellen Chemnitz Mitte und Chemnitz Nord die Grenzwerte überschritten werden, sondern großflächig am gesamten Hauptverkehrsstraßennetz. (siehe Karte 2 der Informationsvorlage I-31/2004 „Trend der Luftschadstoffkonzentrationen in der Stadt Chemnitz im Jahr 2003“)
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3. Gesundheitsschädlichkeit 

Die Gesundheitsschädlichkeit von Feinstaub ist unstrittig und seit langem bekannt. Feinstaub ist krebserregend und verursacht vor allem bei Kindern und alten Menschen Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen sowie Lungenkrebs. Heiße und trockene Sommer tragen erheblich zur Belastung bei. Solche klimatischen Umstände werden zukünftig keine Ausnahmen sein (siehe Klimaprognosen des Freistaates Sachsen). 

Im Umweltbericht 2002 des Sächsischen Umweltministeriums heißt es: „Wissenschaftler bewerten Feinstäube unabhängig ihrer chemischen Zusammensetzung als krebserzeugend und somit wesentlich gefährlicher als Schwefeldioxid. … Je kleiner die Teilchen, desto tiefer dringen sie in die Lunge ein und gelangen so auch in die Blutbahn. Sie können und Atem- und Herz-Kreislauf-Beschwerden verursachen.“ (S.46) 

Der „Rat der Sachverständigen für Umweltfragen“, ein Beratergremium der Bundesregierung, kommt in seinem Gutachten 2004 zu folgender Einschätzung: „In Langzeitstudien zeigten sich konsistente statistische Zusammenhänge zwischen feinen inhalierbaren Partikeln und Einschränkungen der Lungenfunktion wie auch mit Atemwegssymptomen und Bronchitis. Des Weiteren konnten Effekte bei der vorgezogenen Gesamt- und kardiopulmonalen Sterblichkeit nachgewiesen werden“. (Rz. 537) 

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 19. Februar 2005 kommt eine Studie der EU zu dem Ergebnis, dass jedes Jahr bis zu 310.000 Europäer aufgrund der Luftschadstoffbelastung vorzeitig sterben.
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4. Luftreinhalteplanung 

4.1. Rechtslage

Gemäß § 47 Abs.2 BImSchG haben die zuständigen Behörden einen Aktionsplan aufzustellen, „der festlegt, welche Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind“, wenn eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte droht. Diese Voraussetzung liegt für Chemnitz vor. 

Gemäß § 47 Abs.1 BImSchG besteht die Rechtspflicht, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, wenn die festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Dies ist spätestens der Fall, wenn der Tagesmittelwert von 50 microg/m3 zum 36sten Mal überschritten sein wird. Die Stadtverwaltung hat bereits entsprechende Schritte eingeleitet. 

Sofortiges Handeln ist auch deshalb geboten, weil ab 2010 der Jahresmittelwert auf 20 microg/m3 und die Überschreitung des Tagesmittelwerts 50 microg/m3 von 36 auf 7 mal im Jahr verschärft werden soll. 

Die Maßnahmen sind gemäß § 47 Abs.4 BImSchG „entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Grenzwerte … beitragen.“ 

Gemäß § 47 Abs.5 Satz 2 BImSchG ist die Öffentlichkeit bei der Aufstellung zu beteiligen.
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4.2. Maßnahmenbündel 

Das BImSchG fordert, die Minderungsmaßnahmen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gegen den jeweiligen Verursacher zu richten. Dafür ist zunächst eine sorgfältige Ermittlung der Emissionsquellen (Ursachenanalyse) vorzunehmen. Diese liegt für Chemnitz noch nicht vor, hier kann die Stadt jedoch von den derzeitigen Untersuchungen in Leipzig profitieren. 

Zwar spielt der Autoverkehr eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Dennoch ist das Hauptaugenmerk auf eine Verminderung der Emissionen aus dem KfZ-Verkehr zu legen. Der Länderausschuss für Immissionsschutz, ein Bund-Länder-Fachgremium, nimmt an, dass 45 bis 65 % der in Verkehrsnähe auftretenden Feinstaub Spitzenbelastungen vom Straßenverkehr verursacht werden. Der Schwerverkehr ist zu mindestens 30% verantwortlich (Landesimmissionsschutzbericht 2002, S.48). 

Auch wenn eine Einführung des Dieselruß – Partikelfilters mittelfristig eine erhebliche Entlastung verspricht, erscheinen darüber hinaus Sofortmaßnahmen in einem Aktionsplan sowie weitere langfristig wirksame Maßnahmen in einem Luftreinhalteplan notwendig.
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4.3. Luftreinhalteplanung in anderen Städten 

Die Stadt kann sich an bestehenden Luftreinhalteplänen in Deutschland orientieren. Zur Zeit wird ein LRP für Leipzig erarbeiten. Luftreinhaltepläne bestehen etwa in München, Berlin oder Würzburg.
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4.4. Maßnahmen für Chemnitz 

Für Chemnitz ergeben sich folgende Handlungsfelder (Auswahl): 

  • Beschleunigte Sanierung des Hauptverkehrsstraßennetzes: Von vorrangiger Bedeutung ist hier die geplante Verbindungsspange ab Augustusburger Straße über die neue Brücke Waisenstraße / Dresdner Straße (Innenring) zur deutlichen Entlastung für den Stadtteil Sonnenberg

  • Ersatzinvestitionen von städtischen KfZ nur noch mit Dieselruß – Partikelfilter 

  • Verkehrsleitsysteme, die LKW um hochbelastete Gebiete leiten (und nicht hineinführen wie z.B. die neue Ausschilderung an der Zschopauer Straße, die den Verkehr nach Frankenberg und Freiberg direkt über den Sonnenberg leitet) 

  • City Maut, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen (siehe zunehmende Belastung der Leipziger Straße und anderer Autobahnzubringer) 

  • tärkung des ÖPNV im modal – split der Verkehrsträger zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs

  • Förderung des Fuß- und Radverkehrs

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5. Nachrüstung von Bussen der CVAG und Fahrzeugen der Stadtverwaltung mit Dieselruß – Partikelfiltern 

Eine flächendeckende Nachrüstung aller dieselgetriebenen Busse im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit Dieselruß – Partikelfiltern fordern die im Bündnis „Kein Diesel ohne Filter“ zusammengeschlossenen Umwelt- und Verbraucherverbände sowie Verkehrsclubs anlässlich der bundesweiten Aktion „rußfreie Busse“. Die Aktion hat sich zum Ziel gesetzt, dass kurzfristig alle 42.000 im ÖPNV eingesetzten Busse rußfrei betrieben werden und somit einen entscheidenden Beitrag zur Einhaltung der ab 1.1.2005 geltenden Luftreinhaltewerte leisten. 

Zwar ist der Anteil der in Deutschland zugelassenen 42.000 Busse im Verhältnis zu den übrigen Fahrzeugen, insbesondere LKW und motorisierter Individualverkehr, relativ gering. Dennoch hat der ÖPNV im Hinblick auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz eine Vorbildfunktion zu leisten. Der CVAG kommt eine besondere Verantwortung für die innerstädtische Luftqualität zu. 

Die Ausrüstung von Bussen mit Dieselruß – Partikelfiltern ist technisch realisierbar und wird vom SMUL mit 40% gefördert. Die Kosten betragen pro Filter nach Schätzung der CVAG ca. 10.000 Euro für die Beschaffung und den Einbau (die CVAG verfügt über 115 Busse). 

Der schrittweise Einbau von Dieselruß – Partikelfiltern ist vor dem Hintergrund der geforderten Luftreinehalteplanung zwingend, da sonst die Gefahr droht, dass auch Busse des ÖPNV von zukünftigen Fahrverboten betroffen werden, wenn diese nicht rechtzeitig mit entsprechenden Abgasreinigungssystemen ausgestattet werden.
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