Sondersitzung des Stadtrates zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Schulerhalt

Redebeitrag von Annekathrin Giegengack zur Sondersitzung des Stadtrates zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Schulerhalt

"Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Oberbürgermeister, es ist Wahlkampf. Die Zeit der großen Gesten und vollmundigen Versprechungen hat wieder begonnen und machen wir uns nichts vor, die Unterzeichner der beiden Bürgerbegehren zum Erhalt der Mittel- und Grundschulen in Chemnitz repräsentieren eine starke Wählergruppe. Ich bin überzeugt, keine Partei hier im Haus kann und will auf diese Stimmen kampflos verzichten. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Empore – bedenken sie dies, wenn sie der heutigen Debatte folgen. Lassen sie sich in Zeiten des Wahlkampfes nicht blenden zum Beispiel von einer Partei, die heute hier mit einem Änderungsantrag ihr Anliegen eins zu eins aufgreift. Meine Damen und Herren, Vertreter dieser Partei, hatten mehrere Jahrzehnte die Gelegenheit, Bildung und Schule in unserem Land und in unserer Stadt zu gestalten. Ich habe zu dieser Zeit die Schule besuchen müssen und habe in einer Klasse mit über 30 Kindern gelernt. Ich durfte die Schule nicht frei wählen und der Unterricht war immer frontal. Der bauliche Zustand unserer Schule war marode, echte Mitbestimmung von Eltern und Schülern oder gar runde Tische mit Vertretern des Schulamtes undenkbar. Ich habe in einer Schule gelernt, die einmal im Jahr für zwei Wochen zum Wehrlager wurde, in der nicht linientreue Lehrer, aus dem Schuldienst entfernt und nicht jugendgeweihten Kindern aus christlichen Elternhäusern das Abitur verwehrt wurde. Für mich ist das heutige Engagement dieser Partei in Punkto Schulen und Bildung nicht glaubwürdig. 

Auch die beiden großen Parteien CDU und SPD müssen sich in dieser Debatte ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen. Es sind Vertreter ihrer Parteien, die zur Zeit die Staatsregierung in Dresden stellen. Wenn sie es ernst meinen mit den Eltern in dieser Stadt und in diesem Land, wieso verbessern sie nicht das Schulgesetz? Warum bringen ihre Fraktionen im Landtag einen umfangreichen Änderungsantrag ein, in dem die Staatsregierung lediglich ersucht wird, bestimmte Ausnahmetatbestände beim Erhalt von Schulen gelten zu lassen? Warum verabschiedet die CDU-SPD Koalition nicht eine Schulgesetzänderung? Sie haben die Mehrheit im Landtag! 

Und Herr Oberbürgermeister auch ihr Verhalten ist für uns nicht nachvollziehbar. Wenn sie wirklich der Meinung sind, ich zitiere: "Nicht der Inhalt der Bürgerbegehren wurde von der Verwaltung abgelehnt, sondern die Art der Durchführung." wie es in der Wochenendausgabe der Freien Presse zu lesen war, wieso haben sie dann nicht das Anliegen der Eltern oder Teile davon mit einer Stadtratsvorlage aufgegriffen? Dass es zu diesem Entscheidungsvakuum gekommen ist, liegt auch daran, dass sie keine Alternative angeboten haben. 

Noch ein Wort an sie, liebe Eltern auf der Empore. Ich ziehe den Hut vor ihrer Courage und ihrem großen Engagement. Doch in einem Punkt kann ich ihnen bei aller Sympathie für ihr Anliegen einfach nicht folgen. Sie verlangen in ihrem Begehren, dass die Stadt Chemnitz, also wir demokratisch gewählten Stadträte, keine Entscheidung in Punkto Schulen treffen dürfen, zu der sie nicht ihr Einverständnis gegeben haben. Auch die PDS hat diesen Passus in ihren Änderungsantrag aufgenommen. Meine Damen und Herren, damit stellen sie das Prinzip der repräsentativen Demokratie in Frage. Was sie da fordern, würde langfristig den Stadtrat als demokratisch gewähltes repräsentatives Organ der Bürger dieser Stadt zu einem Akklamationsverein degradieren. Denn das Recht was man ihnen einräumen würde, müsste genauso z.B. dem Arbeitslosenverband, dem Seniorenbeirat, den Hausbesitzern von Haus und Grund, dem Kleingartenbeirat, den Naturschützern vom NABU, der IHK usw. eingeräumt werden – alles Interessenvertretungen mit nicht von der Hand zu weisenden speziellen Anliegen. Die Folge davon wäre der absolute Stillstand, weil man nicht allen Interessen gleichermaßen gerecht werden kann. Ohne Parteien, meine Damen und Herren, ist unsere Demokratie nicht zu machen, auch wenn ich ihre Parteienverdrossenheit nachvollziehen kann. 

Also, meine Damen und Herren, machen wir unseren Job und lassen den Wahlkampf, die großen Gesten und vollmundigen Versprechungen, außen vor. Das heißt – lassen sie uns einen Kompromiss finden. Unserer Meinung nach liegt dieser mit dem Änderungsantrag der SPD Fraktion bereits auf dem Tisch. 

Gestatten sie mir noch eine Bemerkung am Schluss. Wir haben uns heute zu einer Sondersitzung eingefunden. Diese Sondersitzung verursacht Kosten. Wir möchten sie einladen gemeinsam mit uns Grünen die Entschädigung für die heutige Sondersitzung unserer kommunalen Kinder- und Jugendstiftung Johanneum zu spenden. So kommt die heutige Sitzung, deren Anlass ja die Kinder und Jugendlichen dieser Stadt sind, diesen auch unmittelbar zu Gute. Flyer mit der Bankverbindung der Stiftung liegen am Eingang aus."

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