Redebeitrag zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Schulerhalt

"Es geht um viel mehr, als um formale und rechtliche Mängel. Es geht vor allem um einen guten politischen Stil."

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zu beiden Vorlagen, also B-254 und B-255 sprechen und zunächst zwei Sätze aus den Vorlagen zitieren: „Der Stadtrat hat sich bei seiner Prüfung darauf zu beschränken, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Ein Ermessen steht ihm bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht zu.“ 

Diese Sätze engen das Problem, um das es hier heute geht, in unzulässiger Art und Weise ein. Denn es geht heute eben nicht allein um die Frage der formalen Zulässigkeit, es geht vielmehr um die grundsätzliche Frage, wie direkte Demokratie und breite Bürgerbeteiligung in unserer Stadt gestärkt und gefördert werden können. Die beiden Vorlagen der Verwaltung tragen zu dem letzt genannten wenig bei. Im Gegenteil: In belehrendem Amtsdeutsch wird den Antragstellern erklärt, dass die Chemnitzer wahrscheinlich zu dumm sind, die Fragestellung des Bürgerentscheides überhaupt zu verstehen. Darüber hinaus wird ein Kostendeckungsvorschlag verlangt, obwohl keine Mehrkosten entstehen. Formalrechtlich mag die Stellungnahme der Verwaltung richtig sein, ab wie wirkt dieser Stil gegenüber den Bürgern? 

Wenn die Verwaltung sich schon anschickt, dass ganze Thema lediglich formal abzuhandeln, möchte ich auch ein paar Paragraphen zitieren: Zum Beispiel § 5, Absatz 1 unserer Hauptsatzung: „Der Stadtrat ist die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wahlberechtigten und das Hauptorgan der Stadt.“ Oder § 6 Absatz 1 der Hauptsatzung: „Der Stadtrat entscheidet über alle Angelegenheiten der Stadt.“ 

Diese beiden Paragraphen sollten wir uns bei der heutigen Entscheidung ganz besonders vor Augen führen. Ich sage Ihnen auch warum: 12.000 Bürgerinnen und Bürger, die wir hier vertreten, haben uns mit der Hilfskonstruktion eines Bürgerbegehrens deutlich gemacht, dass sie mit der gegenwärtigen Schulpolitik nicht einverstanden sind. 

Meine Damen und Herren Stadträte, das Ganze ist auch eine Angelegenheit der Stadt, denn diese 12.000 Menschen leben hier und es ist unsere wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen das die Werte eines demokratischen Gemeinwesens nicht noch weiter ausgehöhlt werden. Es ist nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass den Menschen am Ende diese Werte nichts mehr bedeuten, weil sie zu sehr verunsichert und enttäuscht sind von den demokratischen Parteien. 

Sie sehen, es geht um viel mehr, als um formale und rechtliche Mängel. Es geht vor allem um einen guten politischen Stil: 

Dazu gehört in diesem Fall zu aller erst die klare und unmissverständliche Botschaft an die Unterzeichener des Bürgerbegehrens: „Wir verstehen den Willen, der darin zum Ausdruck kommt und wir nehmen das Anliegen ernst.“ Mit einer solch klaren Botschaft kann von vornherein viel Konfliktpotential entschärft werden. 

Die zweite Aufgabe ist, den Handlungsrahmen unseres Kommunalparlamentes transparent und ehrlich darzustellen. 

Und die dritte Aufgabe ist, dem Stadtrat alternative Entscheidungsmöglichkeiten vorzulegen, wie er den Willen der Eltern ganz oder teilweise – auch ohne Bürgerentscheid – umsetzen kann und welche Konsequenzen diese hätte. 

Und sollte am Ende diesen Weges nur eine Resolution des Stadtrates zur Änderung des Sächsischen Schulgesetzes als Handlungsmöglichkeit übrig bleiben, wäre dies für unsere kommunale Demokratie immer noch besser, als das Begehren heute einfach abzuschmettern. 

Aus diesen Gründen ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute nicht bereit, den Vorlagen der Verwaltung zu folgen. Denn unabhängig davon, ob die rechtliche Beurteilung der Verwaltung einer Überprüfung standhält oder nicht, kommt die Zurückweisung des Bürgerbegehrens zum heutigen Zeitpunkt einem Angriff auf unsere demokratische Kultur gleich. Daran werden wir uns nicht beteiligen.

Volkmar Zschocke
Fraktionsvorsitzender

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