Optimierung der Trinkwasserversorgung für Chemnitz


Beschlussvorschlag:

1) Der Oberbürgermeisterin und den kommunalen Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke Chemnitz AG wird vom Stadtrat empfohlen, sich im Aufsichtsrat der Stadtwerke Chemnitz AG gegen das Vorhaben des Vorstandes der Stadtwerke Chemnitz AG auszusprechen, eine Fernwasserleitung nach Tschechien zu bauen, um Rohwasser aus der Preßnitztalsperre zu beziehen.

2) Die Oberbürgermeisterin wird darüber hinaus beauftragt, sich mit der Landestalsperrenverwaltung und den im Zweckverband Fernwasser Südsachsen in Verantwortung stehenden Kommunen dafür zu engagieren, dass die Trinkwasserversorgung organisatorisch, technisch und ökonomisch optimiert wird, um Bürgerinnen und Bürgern und der regionalen Wirtschaft, Trinkwasser in bester Qualität zu fairen zu angemessenen Preisen anzubieten.

Ergebnis:

Der Antrag wurde im Stadtrat vom 20. Juni 2007 verhandelt und erhielt keine Mehrheit.
Mündliche Antragsbegründung vom 20. Juni 2007 von Annekathrin Giegengack

Antragsbegründung:

1. Inhaltliche Begründung

Die politische Steuerung bei Eigengesellschaften und Mehrheitsbeteiligungen der Gemeinden soll vorrangig durch den Gemeinderat selbst erfolgen. Bei dem Vorhaben der Stadtwerke Chemnitz AG, 36 Millionen Euro zu investieren, um Trinkwasser aus der Republik Tschechien zu beziehen, handelt es sich um eine Angelegenheiten des Unternehmens von besonderer Bedeutung, bei der der Stadtrat Chemnitz nicht ungehört bleiben darf.

Folgende Argumente der Stadtwerke der Stadtwerke Chemnitz AG zur Rechtfertigung dieser Investition sollen nachfolgend kritisch hinterfragt werden:

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Überzeugung, dass keines der bisher von den Stadtwerken vorgebrachten Argumente das geplante Projekt wirklich begründet. Vielmehr stellt sich die Frage, ob mit dem Vorhaben der Einstieg privater Wasserkonzerne in die Wasserversorgung der Region vorbereitet werden soll. Dies ist aus Sicht der Fraktion jedoch abzulehnen.

„Vorsorge wegen Klimawandel“

In der Pressemitteilung der Landestalsperrenverwaltung 8/2007 vom 07.03.2007. heißt es: „Für die Chemnitzer Bevölkerung besteht bisher auch bei einem möglichen Klimawandel kein Anlass zur Sorge. Die Landestalsperrenverwaltung führt regelmäßige Modellrechnungen durch. Darin werden bereits seit mehreren Jahren mögliche Klimaveränderungen mit betrachtet. Selbst bei einer eher unwahrscheinlichen dauerhaften Verringerung der Zuflussmengen um 30 Prozent kann die Wasserversorgung in Sachsen garantiert werden. Auf Grundlage dieser Untersuchungen wurden nach dem Augusthochwasser 2002 die neuen Hochwasserrückhalteräume in den Talsperren eingerichtet. Sie gehen nicht zu Lasten der Versorgungssicherheit, da auch weiterhin die vorhandenen Reserven für die Trinkwasserversorgung nicht ausgelastet sind.“

Durch die geographische Lage und den vorausschauenden Bau von Talsperren besteht im Regierungsbezirk Chemnitz ein Überangebot an Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung. Aufgrund des Rückganges von Industrie und Bevölkerung sowie durch umfassende Wassersparmaßnahmen und Investitionen in den Rohleitungsbau zur Verhinderung von Wasserverlusten ist die Abgabe von Rohwasser aus dem sächsischen Talsperrenverbund auf ca. 50 % im Vergleich zu Vorwendezeiten gesunken. Das in den Talsperren der Region zur Verfügung stehende Rohwasser reicht aus, die Bevölkerung in der Region zu jeder Zeit – auch unter den Bedingungen des Klimawandels – hinreichend mit Trinkwasser zu versorgen.

„Zugriff auf genügend Wasserressourcen sichern“

Die Wasserversorgung der Stadt Chemnitz ist durch drei Talsperrensysteme abgesichert, die unabhängig voneinander gesteuert werden können. Am System Westerzgebirge hängt die größte sächsische Trinkwassertalsperre Eibenstock sowie Muldenberg und Carlsfeld. Das System Mittleres Erzgebirge besteht aus den Talsperren Einsiedel, Saidenbach, Neunzehnhain I und II. Durch das System Osterzgebirge sind die Talsperren Rauschenbach und Lichtenberg angeschlossen. Bei Bedarf könnte dieses Talsperrensystem sogar noch durch Wasser aus der bei Ceský Jiretín (Georgendorf) gelegenen Talsperre Fláje ergänzt werden. Das aus Fláje abfließende Wasser ist ohne den Bau einer kilometerlangen Fernwassertrasse in der unterhalb gelegenen Talsperre Rauschenbach aufstaubar. Die Stadt Chemnitz braucht keine zusätzlichen Wasserressourcen. Sie ist bereits überdimensional abgesichert.

„Wasserpreise möglichst stabil halten“

Aufgrund der zur Betreibung der sächsischen Talsperren notwendigen Fixkosten hat das mittlerweile entstandene Überangebot an Rohwasser in der Region den Preis pro Kubikmeter – trotz Einsparungen in Höhe von 5,3 Millionen Euro auf Seiten der Landestalsperrenverwaltung – steigen lassen. Eine Reduzierung der Abnahmemenge von Seiten der Stadtwerke Chemnitz hätte zur Folge, dass dieser Rohwasserpreis weiter nach oben angepasst werden müsste. Negative Auswirkungen auf den Wasserpreis hat ebenso die mittlerweile zu geringe Auslastung der Fernwasserkapazität beim Zweckverband Fernwasser Südsachsen. Auch der Fernwasserpreis dieses Verbundes würde sich weiter erhöhen, sollte die Wasserabnahme durch die Stadtwerke Chemnitz AG sinken.

Von diesen durch die Reduzierung der Abnahmemenge verursachten Preiserhöhungen für Roh- und Fernwasser würde die Stadtwerke Chemnitz AG jedoch selbst wieder betroffen sein, denn um die Versorgung von Chemnitz zu sichern, ist die Stadtwerke Chemnitz AG zu einem Teil auf Wasser aus dem sächsischen Verbundnetz angewiesen. Letztlich würde die Stadtwerke Chemnitz AG durch die Verringerung der Wasserabnahme erst die Preisinstabilität provozieren, die sie vorgibt zu verhindern.

Auch der Einwand, die steigenden Roh- und Fernwasserpreise des sächsischen Verbundnetzes durch die geringeren Bezugskosten für Wasser aus Tschechien zu kompensieren, ist nicht tragfähig. Um die Wirtschaftlichkeit der zu 49 % privaten Stadtwerke Chemnitz AG nicht zu gefährden, müssen die Investitionskosten für die geplante Fernwassertrasse durch die entstehenden Erträge gedeckt werden (Amortisation). Durch die Umlage der Investitionskosten in Höhe von 36 Millionen Euro auf den tschechischen Wasserpreis würde der angestrebte Preisvorteil jedoch zu einem großen Teil wieder verloren gehen.

Da die Modernisierung der jetzigen Infrastruktur bereits mit Fördermitteln, unter anderem auch von der Europäischen Union finanziert wurde und ein Überangebot an Roh- und Fernwasser für den Regierungsbezirk Chemnitz besteht, ist davon auszugehen, dass für dieses Projekt auch keine öffentlichen Fördermittel zur Verfügung stehen werden. Die Förderung eines weiteren Versorgungsstrangs zur Wasserversorgung der Region mit öffentlichen Geldern, hieße dem Steuerzahler ein zweites Mal für dieselbe Aufgabe in die Tasche zu greifen. Das wäre Verschwendung.

„Abhängigkeit von nur einem Lieferanten ist weder wirtschaftlich tragfähig noch wettbewerbsorientiert“

In der Region Chemnitz sind neben der Landestalsperrenverwaltung, ein Fernwasserverbund und acht kommunale Aufgabenträger für die Bereitstellung des Trinkwassers zuständig. Angesichts der Roh- und Fernwasserpreise, die zu den höchsten in der Bundesrepublik gehören, ist eine organisatorische, technische und ökonomische Optimierung der Wasserversorgung ohne Zweifel angebracht. Staatsminister Stanislaw Tillich kündigte in der Freien Presse vom 07.04.2007 bereits die Prüfung weiterer Preissenkungen von Seiten der Landestalsperrenverwaltung an. Die bestehenden Effektivitätsdefizite sollten jedoch den Blick für die Vorteile der Wasserversorgung durch die öffentliche Hand nicht verstellen. Eine an Wettbewerb und Gewinnmaximierung orientierte Wasserversorgung ist nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, wie die Beispiele Berlin, Kiel und Rostock eindeutig belegen.

2. Verfahrensbegründung

Die kommunalen Aufsichtsratsmitglieder sind der Gemeinde gegenüber verpflichtet, über Angelegenheiten des Unternehmens von besonderer Bedeutung zu berichten (§ 98 Sächsische Gemeindeordnung in Verbindung mit § 394 Aktiengesetz). Die Bürgermeisterin wiederum hat dafür Sorge zu tragen, dass sich der Gemeinderat rechtzeitig mit diesen Angelegenheiten befassen kann. Solche Angelegenheiten liegen beispielsweise bei besonderen Finanzierungsnotwendigkeiten, unvorhergesehenen Investitionserfordernissen, größeren Geschäftsrisiken, weiteren Beteiligungen, betriebsinternen Vorkommnissen besonderer Art oder bei für die Gemeinde haushaltsrelevanten Vorgängen vor. Je früher die Gemeinde von solchen Angelegenheiten erfährt, umso effektiver kann sie im Rahmen der Steuerung und Kontrolle u.U. Fehlentwicklungen der Gesellschaft entgegenwirken. Das Vorhaben der Stadtwerke Chemnitz AG, 36 Millionen Euro zu investieren, um Trinkwasser aus der Republik Tschechien zu beziehen, kann als Angelegenheiten des Unternehmens von besonderer Bedeutung gelten.

Die Vertreter der Gemeinde in privatrechtlichen Gesellschaften werden innerhalb zweier Rechtsverhältnisse tätig. Neben den Statuten des Wirtschafts- und Gesellschaftsrechts (z.B. GmbH-Gesetz, Aktiengesetz), bei denen es sich um Bundesrecht handelt, haben sie verschiedene öffentlich-rechtliche Bestimmungen zu beachten, die Landesrecht sind (insbesondere die Gemeindeordnung). Entscheidend ist letztlich, in welcher Eigenschaft die betreffenden Personen tätig werden. Im Fall einer Kollision geht Bundesrecht dem Landesrecht vor. D. h. die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied wird primär durch gesellschaftsrechtliche Vorgaben geprägt. Hierzu gehören die Grundsätze der Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit, die auch gegenüber der entsendenden Gemeinde gelten. Die Vorgaben des Gesellschaftsrechts begrenzen mithin die Verpflichtung von Aufsichtsratsmitgliedern, Weisungen der Gemeindevertretung zu befolgen.

Zu beachten ist allerdings, dass der Vorrang gesellschaftsrechtlicher Pflichten nur dann zum Tragen kommt, wenn diese Pflichten mit den Weisungen oder Richtlinien des Gemeinderates kollidieren. Dies kann bei Eigengesellschaften und Mehrheitsbeteiligungen der Gemeinden im Grunde nur ausnahmsweise der Fall sein, da hier die öffentliche Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung abzusichern ist und damit von vornherein kein Widerspruch zwischen Unternehmens- und kommunalem Interesse auftreten dürfte. Da die politische Steuerung bei Eigengesellschaften und Mehrheitsbeteiligungen der Gemeinden vorrangig durch den Gemeinderat erfolgen soll, kann somit die Gemeinde in jedem Fall ihren Aufsichtsratsmitgliedern in einer AG und in einer GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat Empfehlungen für die Stimmabgabe mitgeben. Zu beschließen sind diese Empfehlungen vom Gemeinderat.

> Antrag als PDF herunterladen

weitere Informationen:
> Pressemitteilung vom 7. April 2007
> Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im sächsischen Landtag zum selben Thema

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