Städtebauliches Entwicklungskonzeptes – Chemnitz 2020

Standpunkt der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zur Vorlage der Verwaltung B-181/2009 "Städtebauliches Entwicklungskonzeptes – Chemnitz 2020" : Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen stimmt dem Beschluss zum städtebaulichen Entwicklungskonzept (SEKO) nicht zu. Leitlinien und Umsetzungsstrategien sind aus unserer Sicht nicht konsequent daran ausgerichtet, Chemnitz zukunftsfähig zu machen.

Die Abwägung vieler konkreter Vorschläge und Stellungnahmen aus dem Beteiligungsprozess führte kaum zur inhaltlichen Schärfung. Das Konzept bleibt auch danach in großen Teilen beliebig. Dies wird besonders in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Mobilität und Energieversorgung deutlich. Einen spürbaren Beitrag zur Lösung dieser zentralen Zukunftsfragen unserer Stadt wird das Konzept in der vorgelegten Fassung deshalb kaum leisten. Unsere Unterstützung findet lediglich Punkt 3 des Beschlussvorschlages, mit dem die Verwaltung beauftragt wird, konkrete quartiersbezogene Maßnahmen bis spätestens Anfang 2011 vorzulegen.

Siedlungsentwicklung:

Der Bevölkerungsverlust seit 1990 bezieht sich auf das ehemalige Stadtgebiet – nicht auf die danach eingemeindeten Ortschaften. Ohne die Eingemeindungen hätte Chemnitz auf der Stadtfläche von 1990 nur noch ca. 190.000 Einwohner gegenüber 315.000 Einwohnern im ehemaligen Karl-Marx-Stadt. Daraus folgt: Die urbanisierte Fläche der Stadt Chemnitz ist – gemessen an der Einwohnerzahl viel zu groß. Dieses Missverhältnis wird sich in den kommenden Jahrzehnten verschärfen: Eine weiter abnehmende Anzahl von Einwohnern wird eine immer teuerer werdende städtische Infrastruktur mit Leitungen, Straßen, Nahverkehr, öffentlichen Einrichtungen etc. finanzieren müssen. Im SEKO fehlen konkrete Aussagen zu Entwicklung oder Rückbau der Infrastruktur sowie zur gerechten Kostenverteilung. Der Grundsatz "umso zentraler – desto preiswerter" wird der zunehmenden Perforierung und Dezentralität nicht konsequent entgegengestellt. Konkrete Maßnahmen wie die Einführung von Infrastrukturkostenzonen zur Entlastung der Bewohner zentraler Siedlungsstrukturen oder Aussagen zu einer Siedlungs- und Grundstückspreispolitik, die Bauwillige vor allem in die Kerne und nicht an die Ränder lockt, fehlen.

Zu einem klaren Stop jeder Siedlungsentwicklung im Außenbereich und einem Stop der Abrissförderung in den Gründerzeitquartieren konnte sich die Verwaltung nicht durchringen.

Weiterhin fehlen Modelle, wie auf lange Sicht leerstehende, nicht mehr verwertbare Gebäuden in den zentralen Bereichen an interessierte Nachnutzer zu einem symbolischen Preis übergeben oder generell für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung gestellt werden können.


Mobilität:

Für die Erreichbarkeit der Chemnitzer Innenstadt und der Stadtteile durch Autofahrer wurde in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Chemnitz ist zerschnitten von überdimensionierten Verkehrsschneisen, Knoten und unverhältnismäßig viel Verkehrsfläche für den motorisierten Individualverkehr – verbunden mit großen Entfernungen und enormen Umwegen für Fußgänger und fehlenden sachgerechten und sicheren Radverkehrsführungen.

Eine Stadt, die dem Leitbild der autogerechten Stadt aus den 60ziger Jahren des 20. Jahrhunderts geopfert wurde, kann keine lebendige urbane Mitte entfalten, da diese von Zubringerstraßen, Parkplätzen oder -häusern umzingelt und erstickt wird. Auf diese Fehlentwicklung gibt das SEKO kaum Antworten. Es fehlen insbesondere Zielgrößen zum bis 2020 angestrebten Anteil der Verkehrsarten des Umweltverbundes. Hier werden lediglich die wenig ambitionierten Ziele aus dem Verkehrsentwicklungsplan 2015 übernommen.

Die für die Hauptverkehrsachsen vorgeschlagene Handlungsstrategie zum Rückzug der Wohnfunktionen und Planung von Grünkorridoren schafft keine Urbanität, sondern zerschneidet die Stadt. Diese Strategie führt zur Entvölkerung der Gebiete entlang der oftmals parallel verlaufenden ÖPNV-Hauptachsen, die so zunehmend ihrer Erschließungsfunktion beraubt werden. Problematisch kann diese Entwicklung vor allem bei den Stadtbahnlinien werden (Haltestellen auf der Wiese).

Das SEKO enthält auch keine strategischen Aussagen vor dem Hintergrund globaler Veränderungen in Bezug auf Klima und Energie. Wie schon bei der Siedlungsentwicklung ausgeführt, ignoriert das SEKO die unabwendbar steigenden Kosten für zentrumsfernes Wohnen inkl. der dafür notwendigen Mobilität. Es wird weiterhin verschwiegen, dass die jahrelange einseitige Privilegierung des Autoverkehrs nicht nur Anwohner, Umwelt und Klima beeinträchtigt, sondern enorme Folgekosten z.B. für den Unterhalt überdimensionierter Verkehrsinfrastruktur im Stadthaushalt verursacht. Anstatt diesen ökonomischen Irrsinn zu stoppen – vor allem um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Stadt zu sichern – werden alte Planungen zu weiterem Straßenneubau kritiklos im SEKO fortgeschrieben.

Energieversorgungsstruktur:

Die alternativlose Energiewende hin zur verstärkten, intelligenten und dezentralen Nutzung erneuerbarer Energien wird im SEKO nicht ausreichend beachtet (z.B. durch den Ausbau dezentraler Blockheizkraftwerke). Es mangelt an Aussagen, wie z.B. die Versorgungssysteme nach ökologischen, sozialen und demografischen Gesichtspunkten optimal umgestaltet werden können. Dieser Mangel ist vor allem im Hinblick auf das enorme Potential einer solchen Umgestaltung für die lokale Wertschöpfung bedauerlich.

Insbesondere die enormen Entwicklungschancen der sonnenverwöhnten Region Chemnitz als zukünftige Solarregion kommen im SEKO nicht zum Ausdruck. Verbindliche Zielgrößen zum Ausbau erneuerbarer Energien fehlen. Die dargestellten Entwicklungspotentiale sind wenig ambitioniert. Aussagen, wie in den nächsten 10 Jahren z.B. energieeffiziente Bauleitplanung in Chemnitz konkret aussehen soll, fehlen gänzlich.

Chemnitz hat mit dem Beitritt zum Klimabündnis beschlossen, die CO2-Pro-Kopf-Emissionen von derzeit 8 auf 2 Tonnen jährlich zu reduzieren. Wie dies unter Beibehaltung der zentralen Braunkohleverstromung erreicht werden soll, bleibt ein Rätsel. Dass ein auf 10 Jahre angelegtes kommunales Entwicklungskonzept auf diese Frage keine schlüssigen Antworten gibt, ist geradezu sträflich. Denn weltweit sind die Wissenschaftler sich einig, dass gerade im nächsten Jahrzehnt gehandelt werden muss, um eine drohende Klimakatastrophe noch abzuwenden.

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