Pressemitteilung: „Kein vorauseilender Gehorsam für den Polizeistaat, made in Dresden“

Der Sprecher der AG Digitales, Marcus Lehmann, spricht sich klar gegen die Überwachungspläne für die Chemnitzer Innenstadt in Kooperation mit CVAG und Stadthalle und die damit verbundenen Kosten von 420.000 Euro plus noch unbezifferten jährlichen Haltungskosten aus: „Es kann nicht sein, dass über soziale und pädagogische Angebote jährlich eine Kürzungsdebatte stattfindet, aber dieses erhebliche Budget für einen Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten zur Verfügung steht“, meint Marcus Lehmann.

„Kriminalitätsvorbeugung beginnt in Kitas, Schulen, soziokulturellen Angeboten, im Streetwork und natürlich nicht zuletzt mit präsenten Polizisten. Mit Videoüberwachung werden Ressentiments aufgegriffen und Leuchtfeuer abgeschossen, ohne Probleme wirklich an der Wurzel anzugehen. Es gilt, dieses Geld in Personal und so in die Bürger*innen unserer Stadt zu investieren, statt die nötige Hardware für den in Dresden erträumten Willkürstaat, dank novelliertem Polizeigesetz bereits heute und auf stadteigene Kosten, zu installieren.“

Das Gefühl von Sicherheit durch öffentliche Kameras wird nachweislich geringer eingeschätzt als beispielsweise durch Nottelefone oder durch die Präsenz von Polizisten [Quelle 1]; das subjektive Sicherheitsgefühl verbessert sich allenfalls temporär [2]. Zudem ist seit langem bekannt, dass Videoüberwachung Kriminalität nicht verhindert [3,4] sondern möglicherweise nur verlagert [5]. Im „Überwachungspionier“-Land England ist die Aufklärungsquote durch die sehr viel ausgeprägtere Videoüberwachung mit einem Fall auf 1.000 Kameras zudem nicht als effizient zu bezeichnen [6].

„Nicht zuletzt stehen die aktuellen Bemühungen im Stadtrat konträr zur fast zeitgleich in Kraft tretenden EU-Datenschutz-Grundverordnung“, erläutert Marcus Lehmann. „Videoüberwachung bietet das Potential, den Schutz der Privatsphäre zukünftig weiter zu unterhöhlen. Die neue Grundverordnung schreibt das Prinzip der Datensparsamkeit vor – ergo die Erfassung von so wenigen persönlichen Daten wie absolut notwendig. Mit dem nächsten Evolutionsschritt der Videoüberwachungssoftware können jedoch auch Gesichter erkannt und zugeordnet werden, sodass unüberschaubare persönliche Daten gesammelt, ausgewertet und allein schon bei Verdacht herangezogen werden können.“

Laut Marcus Lehmann ist der konsequenteste Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit der Chemnitzer Bürger*innen, die Investition in ausgebildetes Personal zur Prävention und Unterstützung vor Ort: „Ich möchte den Chemnitzer Stadträt*innen aller Fraktionen folgendes Gedankenspiel vor ihrer Entscheidung am 23. Mai 2018 mitgeben: Stellen Sie sich vor, Sie werden das Opfer eines tätlichen Überfalls. Würden Sie sich wohler fühlen, wenn Sie wüssten, dass eine Kamera vielleicht den Beweis erbringt oder wenn Sie konkrete Hilfe durch eine Polizistin oder einen Polizisten erhalten? Diese Frage beantworten Sie in der kommenden Sitzung letztendlich nicht nur für sich selbst, sondern auch für Ihre Wähler*innen.“

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird zur kommenden Stadtratssitzung geschlossen gegen den Etat zur Videoüberwachung stimmen.

Im Text erwähnte Quellen:

[1] http://images.vbb.de/assets/downloads/file/12347.pdf

[2] https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/

MMST16-4218.pdf;jsessionid=E6E5C1C0EA0A891D1B154FDF52788161.ifxworker

[3] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Studie-Videoueberwachung-in-Berliner-U-Bahn-

brachte-keinen-Sicherheitsgewinn-183294.html

4] http://www.taz.de/!5143944/

[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/sicherheit-durch-videokameras-in-berlin-ueberwachung-

alleine-ist-zu-wenig/19247156.html

[6] https://www.csmonitor.com/World/Europe/2012/0222/Report-London-no-safer-for-all-its-CCTV-cameras

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