BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Chemnitz

Das Umweltzentrum ist gerettet

Der Kampf um das Umweltzentrum hat sich gelohnt

„Damit ist der Antrag 17/07 angenommen“. Das bedeutete: Das Umweltzentrum ist gerettet. Durch die Reihen auf der Zuschauerempore im frisch renovierten Jugendstilsaal des Chemnitzer Rathauses ging ein Aufatmen. Das Haus an der Henriettenstraße stand seit dem April 2010 auf einer Sparliste zur Konsolidierung des Haushalts und sollte verkauft werden. Damit wäre eine „lange demokratische Tradition“ zu Ende gegangen, wie es in der Begründung des Gegenantrags im Stadtrat hieß.

Am 23. Juni 1990 war das Haus als ehemalige Stasi-Immobilie vom Runden Tisch der Stadt an Gruppen übergeben worden, die im Umweltschatz aktiv waren und sich bisher in kirchlichen oder Privaträumen getroffen hatten. Manfred Hastedt, einer der Aktiven, ist bis heute der Leiter. „Vom Keller bis zum Dachboden haben wir das Haus entrümpelt und renoviert, so wurde es der Stadt erhalten“, erinnert er sich. Nutzer sind heute neben der Umweltbibliothek viele Vereine, die von dort aus ihre weitgehend ehrenamtliche Arbeit organisieren: unter anderen der Sächsische Flüchtlingsrat, Amnesty International, der BUND mit der Geschäftsstelle seines sächsischen Landesverbands, der ADFC, die Grüne Liga, das Infozentrum Weltladen und der Timbuktu-Verein sowie das Büro der Lokalen Agenda 21 / Bürgerbeteiligung.

Stadt schädigte die Arbeit

Für Stadträtin Petra Zais von BÜNDNIS / DIE GRÜNEN, welche den Kampf um die Henriettenstraße organisierte, war es der zweite Schlag gegen das Zentrum: Schon 2003 hatte die Stadt es in seiner Funktion geschädigt, als Manfred Hastedt und seine Kollegin als kommunale Mitarbeiter in neu von der Stadt angemietete „Technische Rathaus“ umziehen mussten. Statt ständig Ansprechpartner, Knoten des Netzwerks und Stütze der Ehrenamtlichen zu sein, sitzen sie nun über 7 Kilometer entfernt an der Annaberger Straße. Die engen Quadratmeter kosten die Stadt zudem 7.900 Euro Jahresmiete. Schlechte Folgen hatte auch das Hin und Her um die erforderliche Sanierung des Treppenhauses und der Sanitäranlagen. Erst sollte das aus Mitteln des Konjunkturpakets II bewältigt werden. Kartons und Ausweichquartiere für die einjährige Bauzeit standen schon bereit, dann kündigte die Stadt eine hohe Miete für das sanierte Haus an, welche die Vereine nicht tragen konnten. Bisher hatten sie nur die Nebenkosten gezahlt und so und durch die ehrenamtliche Arbeit das Haus vor dem Verfall bewahrt. Es wäre nicht das einzige Gründerzeitgebäude in Chemnitz, welches mangels Nutzer zu einer Ruine wurde.

 

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Proteste von Hamburg bis Zürich: „Überregionale Bedeutung“

Widerstand organisierte sich. Zuerst versuchte die vierköpfige Fraktion von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Sommer im Stadtrat vergeblich, einen Beschluss zum Erhalt des Zentrums zu erzielen. Dann wurden immer mehr Unterstützer aktiv. Der Chemnitzer Superintendent Andreas Conzendorf erklärte die wichtigen Synergieeffekte: „Wenn ich da reingehe und etwas vom ADFC wegen Fahrrädern will, dann komme ich an anderen vorbei und nehme mir zum Beispiel Flyer mit.“ Er fragte sich, ob der erwartete finanzielle Nutzen – die Stadt bezifferte den Erlös des Zentrums und zehn anderen Gebäuden auf insgesamt 180.000 Euro – wirklich dauerhaft bestünde. „Denn die Vereine, welche für ein gelingendes Gemeinwesen wichtig sind, könnten ohne eine Art von Hilfe nicht bestehen. Wenn man sie unerreichbar macht, wird ihre Arbeit sehr schwierig.“ Als positives Gegenbeispiel nannte Conzendorf das „Haus der Demokratie“ in Leipzig. Auch der ehemalige Superintendent und heutige Ehrenbürger Christoph Magirius hatte dazu ein Vier-Augen-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig geführt.

Briefe und Protestpostkarten trafen im Rathaus ein. Prof. Dr. Hubert Weiger, Bundesvorsitzender des BUND, spielte auf die Bemühungen um’s Stadtimage an: „Mit dieser Begegnungsstätte ginge auch ein Stück lebenswertes Chemnitz verloren, das sich ja vom ‚Rußchemnitz‘ zur ‚Stadt der Moderne‘ entwickeln möchte.“ Der gebürtige Karl-Marx-Städter Dr. Tilo Usbeck, Mitarbeiter der „Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft“, wies darauf hin, dass eine derartige Einrichtung selbst sein derzeitiger Wohnort Zürich – Stadt mit der weltweit besten Lebensqualität – nicht ihr eigen nennen könne. Der Bundesverband der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU)  e. V. Hamburg betonte die zentrale Bedeutung des Umweltzentrums. Immer wieder wurde auch an Auszeichnungen wie den 3. Preis als „Hauptstadt des Fairen Handels“ erinnert. Die Leipziger Nikolaikirche verwies auf die Friedensgebete, welche dort seit 1982 stattfinden und von denen aus es Kontakte nach Chemnitz gäbe. „Das Haus in der Henriettenstraße hat unzweifelhaft überregionale Bedeutung. Wir würden es bedauern, wenn Haushaltszwänge zum einen wesentliche Ergebnisse der Friedlichen Revolution 1989/90 zurücknehmen, zum anderen und vor allem aber die – viel zu wenigen – engagierten Bürger ins Aus drängen, derer die Gesellschaft dringend bedarf.“

Neues Konzept

Parallel arbeiteten die Nutzer des Hauses an einem gemeinsamen Konzept, um das Haus mit einem Erbpachtvertrag zu übernehmen. „Wir sind dichter zusammengerückt auf Grund der schwierigen Situation“, stellt Manfred Hastedt fest. Der Trägerverein wählte einen neuen Vorstand mit fünf gleichberechtigten Mitgliedern: Ingrid Kasiske von der Umweltbibliothek, Britta Schmidt vom Weltladen, Ali Moradi vom Chemnitzer Flüchtlingsrat, Wolfgang Riether vom BUND sowie Manfred Hastedt.

Als der grüne Antrag am 26. Januar in der entscheidenden Sitzung zum Chemnitzer Sparpakt auf der Tagesordnung stand, hatten sich ihm nicht nur die Fraktion der LINKEN; sondern auch die Anwältin Almut Patt und der Informatiker Michael Walter von der CDU angeschlossen. „Wir haben uns riesig gefreut, dass der grüne Antrag eine überwältigende Mehrheit bekommen hat“, sagt Manfred Hastedt. Jetzt blickt er nach vorn, die Arbeit geht weiter. Bis zum 1. April soll der Erbpachtvertrag stehen, so hat es der Stadtrat der Verwaltung aufgetragen, sowie ein Dienstleistungsvertrag auf Basis des Konzepts. „Denn durch die Vereine erbringen Chemnitzerinnen und Chemnitzer Dienste für die Stadt, dafür muss der Unterhalt des Hauses finanziell geregelt werden.“ Zusätzlich werden Spender gesucht, die sich an diesem Symbol des Bürgerengagements beteiligen wollen. Dafür will Petra Zais einen Förderverein gründen. Und dann hofft sie auf die politische Vernunft, dass die kommunalen Mitarbeiter wieder in Henriettenstraße 5 zurückziehen können.

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