BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Chemnitz

Haushaltsrede 2012

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte VertreterInnen der Verwaltung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Empore

Der Haushalt für das Jahr 2012, einschließlich der mittelfristigen Finanzplanung bis 2015, hat eine zentrale Kernbotschaft. Trotz der massiven Sparmaßnahmen im Rahmen des EKKo gelingt es nicht, den Haushaltsausgleich bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Im Gegenteil – auf Grund von Mehrausgaben, wie z. B. der voraussichtlich ab 2013 zu finanzierenden Stadionmiete für den CFC und absehbarer Mindereinnahmen, wächst das Defizit weiter und wird im Jahr 2015 kameral ca. 10 bis 11 Millionen Euro betragen.

Kritik kommt auch von unserer Seite an der Finanzpolitik des Freistaates. Dass bei einem Haushaltsplus von reichlich 2 Milliarden Euro in 2011 lediglich 106 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen bei den Kommunen ankommen, ist für uns nur schwer nachzuvollziehen. Über Jahre haben wir bei den Debatten zum Finanzausgleich gehört, dass es eben so sei – geht es dem Freistaat schlecht, geht es auch den Kommunen schlecht. Und nun sagen wir: Dann müsste auch, wenn es dem Freistaat jetzt deutlich besser geht, es auch deutlich bessere Zuweisungen für die Kommunen geben. Immerhin finanziert der Freistaat, wie wir lesen konnten, auch 1,5 Millionen Euro für den Sachsenring.

Die für Chemnitz avisierten 1,2 Mio. sind ein Tropfen auf den heißen Stein und die Vielzahl der Anträge für die Verwendung macht das auch deutlich. Wir hätten uns gewünscht, dass die Verwaltungsspitze den Stadträten auf der Grundlage der vom Stadtrat beschlossenen Prioritätenliste für Schulen und KITAS einen umsetzbaren Vorschlag unterbreitet hätte. Das ist nicht passiert. Darüber kann man traurig sein oder auch nicht. Wir hoffen, dass es heute trotzdem aufgrund der Vielzahl und der unterschiedlichen Richtungen der Anträge der großen Fraktionen für die Verwendung der zusätzlichen Investitionsmittel zu vernünftigen Lösungen kommt.

Der Haushalt und die Debatten der letzten Wochen zum EKKo-Controlling zeigen darüber hinaus: Nach dem EKKo ist vor dem EKKo. Und ob wir wollen oder nicht, wenn im Ergebnishaushalt bis 2015 der Haushaltsausgleich nicht nachzuweisen ist, werden wir erneut ein Konsolidierungskonzept machen müssen. Das heißt, im Sommer werden wir wieder mit Spardiskussionen befasst sein.

Schauen wir uns die bisherige Umsetzung des EKKo an, wird dabei folgendes deutlich:

Insbesondere die Maßnahmen, die über Steuererhöhungen oder Preissteigerungen für die Nutzung kommunaler Infrastruktur und Angebote die BürgerInnen am Sparkonzept beteiligt haben, wurden umgesetzt, eins zu eins und relativ zügig und schnell. Nicht alle brachten den prognostizierten Erfolg. Am Beispiel der zurückgehenden Nutzerzahlen von Stadtbad, Volkshochschule und Stadtbibliothek wird deutlich, dass Preissteigerungen auch kontraproduktiv wirken können.

Gleichfalls in Größenordnungen umgesetzt wurden die Sparmaßnamen im freiwilligen Bereich. Besonders die Kürzungen bei freien Trägern der Jugendhilfe, in der Sozialhilfe oder im Vereinssport brachten harte Einschnitte. So gehen in vielen Tätigkeitsfeldern der Freien Träger die Sparmaßnahmen zu Lasten des Personals und der Qualität der Aufgabenerfüllung. Beispielhaft an dieser Stelle genannt: Der Sozialarbeiter, der im Bereich der Wohnungslosenhilfe seit Jahren ohne Lohnerhöhung deutlich unter ortsüblichem Entgelt arbeitet, keine Möglichkeit zur Supervision hat und das bei täglichem Umgang mit schwierigem und schwierigstem Klientel. Auch müssen wir uns die Frage stellen, ob die dauerhafte Unterfinanzierung der ambulanten Leistungen im präventiven Bereich des SGB VIII Folgen auf kostenintensive Hilfen zur Erziehung haben. Aus unserer Sicht ist die Entwicklung mehr als besorgniserregend – Lösungsansätze oder Paradigmenwechsel sind in diesem Haushalt nicht in Aussicht, aber dringend notwendig. Und es stimmt eben nicht, Herr Brehm, dass wir steigende Kosten in der Jugendhilfe nicht beeinflussen können. Natürlich können wir sie beeinflussen, indem wir stärker z. B. in die Prävention investieren.

Diese Bereiche müssen für folgende Spardiskussionen nach unserer Auffassung tabu sein. Eher ist die Frage zu stellen, ob ein Mehr an Ressourceneinsatz langfristig gesehen zu Entlastungen des Haushalts führen könnte.

Im Vorbericht zum Haushaltsentwurf findet sich eine Passage, in der auf die restriktive Bewirtschaftung der Personalkosten verwiesen wird. Grundsätzlich stimmen wir dieser Strategie zu. Sie hat auch für 2011 gute Ergebnisse gebracht. Aber es ist auch zu beachten, dass die Grenzen dort erreicht sind, wo notwendige Stellenbesetzungen (Schulverwaltungsamt, Sozialamt) monatelang verzögert werden oder ein drastischer Anstieg der Überlastungsanzeigen die Folge ist.

Um in der Sprache des Haushalts zu bleiben: Unser größtes Kapital sind die MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung. Von der Qualität ihrer Arbeit hängt in großem Maße auch die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger ab. Deshalb ist sorgsam mit diesem Kapital umzugehen, die strikte Einhaltung der Dienstvereinbarung zwischen Personalrat und Oberbürgermeisterin gehört für uns dazu. Gleichfalls dazu gehört die Hinterfragung der Sinnfälligkeit z. B. von Umsetzungen im Rahmen des EKKo. Ich denke, dass es dringend geboten ist, hier noch einmal genauer hinzuschauen.

Noch einige Bemerkungen grundsätzlicher Art. In der Broschüre „Doppik für Mandatsträger“ schreibt die Sächsische Staatsregierung, dass wir als die, die kommunalpolitische Verantwortung tragen mit der Doppik in die Lage versetzt werden, mit Hilfe einer übersichtlichen Handlungsgrundlage sachgerechte und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen.

Und wir sollen die zusätzlichen Informationen aus dem Haushalt verstehen und nutzen können, um in Zusammenarbeit mit der Verwaltung die notwendigen Prioritäten zum Wohle der Kommune und ihrer BürgerInnen zu setzen.

Nun, wer sich den zweiten doppischen Haushalt der Stadt Chemnitz anschaut, kommt schnell zu dem Ergebnis, dass dieses vorliegende Werk weder übersichtlich ist, noch zusätzliche Informationen zur Verfügung stellt und schon gar nicht dazu dient, angestrebte Ziele und Ergebnisse im Sinne einer outputorientierten Steuerung deutlich zu machen. Das ist keine Kritik an der Kämmerei, denn die setzt letztlich im Rahmen gesetzlicher Vorschriften die Vorgaben der Verwaltungsspitze aus dem Aufstellungserlass zum Haushalt um.

Auf welcher Datengrundlage und mit welchen Schwerpunktsetzungen oder Prioritäten dieser Aufstellungserlass gefasst wird, bleibt bis heute das Geheimnis der Verwaltung, eine Beteiligung des Stadtrates erfolgt nicht. Eine Ausnahme hat es 2009 mit dem Antrag der Linkspartei gegeben, der leider aber auch ohne Wiederholung geblieben ist. Was spricht dagegen, diesen Zustand zu ändern? Objektiv zumindest nichts, sagen wir.

Wenn die Doppik als Steuerungsinstrument funktionieren soll, dann wollen wir als StadträtInnen so früh wie möglich an der Antwort auf die Frage beteiligt werden, was, wie viel und mit welchem Mitteleinsatz erreicht werden soll.

Das „WAS“ wird über Schlüsselprodukte beschrieben. Die Fraktionen waren aufgefordert, sich in Form schriftlicher Stellungnahmen an der Entwicklung dieser Schlüsselprodukte zu beteiligen. Ein konkretes Feedback zu den ersten Vorschlägen erfolgte bisher jedoch nicht.

Offen gleichfalls die Frage der Weiterarbeit an den Schlüsselprodukten des Haushalts. Wir GRÜNE sehen es als notwendig an, dass sich in den Schlüsselprodukten auch Zielstellungen wie z. B. Klimafreundlichkeit, Ausbau der erneuerbaren Energien, Senkung des Energieverbrauchs, Beteiligungsprozesse, Umweltbildung oder gesundes Essen in Kindereinrichtungen wieder finden müssen. Dafür braucht es eine Qualifizierung und Verstetigung der gemeinsamen Arbeit zwischen Rat und Verwaltung – der jetzige Zustand ist aus unserer Sicht kontraproduktiv, fördert Frust und Verweigerung. Wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchten zur heutigen Haushaltsdiskussion ganz klar sagen, dass wir zu dieser konstruktiven Zusammenarbeit bereit sind.

Die Anträge unserer Fraktion zur heutigen Haushaltsdebatte halten sich in Grenzen, sind überschaubar. Sie kosten wenig, sind vernünftig und bringen hohe Effekte – zumindest nach unserer Auffassung. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.

DownloadFraktionserklärung Haushaltsrede 2012

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