Die Chemnitzer Grünen, was sind das eigentlich für Leute? Wir interviewen verschiedene Mitglieder. Diesmal: Thomas Lehmann, Unternehmer, Landwirt und Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, 47Jahre alt, lebt auf dem Kaßberg.
Tom, du bist seit vielen Jahren Mitglied der Grünen. Wie kam es dazu?
Das ist schon eine Weile her! 1992, da war ich im AJZ aktiv, wurde ich für den Kreisverband geworben. Ich fand Grüne Politik immer schon gut, übrigens auch schon vor der Wende. Bevor ich geworben wurde, kannte ich einfach niemanden bei den Grünen, sonst hätte ich vielleicht auch schon eher mitgemacht.
Nach 1992 ist eine Menge passiert, 1994 habe ich für den Vorstand kandidiert, doch schon 1995 bin ich bei den Grünen wieder ausgetreten, da es Differenzen im Kreisverband ab. In jeder Familie geht halt manchmal was schief. Volkmar Zschocke hat mich dann 2003 wieder zurück zu den Grünen geholt. 2004 bin ich erstmals für den Stadtrat angetreten, leider noch ohne Erfolg. Ab 2007 war ich Sprecher der Chemnitzer Grünen und 2009 hat es dann auch mit dem Stadtrat geklappt und nun bin ich seit einigen Jahren Fraktionsvorsitzender der Chemnitzer Grünen.
Welche Themen sind dir besonders wichtig?
Wie viele wissen, engagiere ich mich sehr für die Chemnitzer Kulturlandschaft, für die kommunalen Einrichtungen ebenso wie für eine bunte und vielfältige Alternativkultur. Die Stadtentwicklung und den Stadtumbau versuche ich in Chemnitz aktiv mitzugestalten. Die Innenstadt ist das nächste große Thema. Und natürlich ist Ökologie in der Stadt für mich unverzichtbar.
Du kämpfst für eine vielfältige Kulturlandschaft in Chemnitz. Können wir uns das überhaupt leisten?
Kultur ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wir müssen uns Kultur leisten, wenn wir eine lebenswerte und bunte Stadt haben wollen. Kultur verbindet schließlich die Stadtgesellschaft!
Kürzlich durften die Bürger über Kultureinrichtungen abstimmen. Ist das sinnvoll?
Nein!
Zuvor durften die Bürger über Schulen und Spielplätzen abstimmen. Wer am meisten Rabatz machte, hatte dann die Nase vorn. Von mehreren Vereinen erhielt ich auch diesmal Massenmails, um für sie abzustimmen. So gewinnen die, welche die beste Lobby haben. Ist das sinnvoll?
Gut war die Abstimmung insofern, als dass sie aufgezeigt hat, wie bunt und vielfältig die Chemnitzer Kulturlandschaft ist. Aber das kann man auch anders erreichen.
Tom, auf deinem Hof in Mecklenburg produzierst du selbst Lebensmittel. Was zeichnet für dich gute Lebensmittel aus?
Gute Lebensmittel sind für mich regional erzeugt und haben damit kurze Wege hinter sich. Sie sind frei von Gentechnik und möglichst Bio.
Fleischproduzent und Vegetarier – wie geht das zusammen?
Ich habe 1987 Zootechniker in der Landwirtschaft gelernt und dabei die Zustände in der Massentierhaltung intensiv miterlebt. Deshalb habe ich mit dem Fleisch essen aufgehört. Fleisch aus meiner eigenen Landwirtschaft würde ich zwar grundsätzlich essen, aber nach über 25 Jahren ohne Fleisch fehlt mir dafür der Appetit.
Meine Tiere sind in erster Linie Landschaftspfleger. Sie erhalten Kargwiesen und Lichtungen, die sonst verbuschen oder verwalden würden. Den Tieren geht es gut, sie vermehren sich und dann landet hin und wieder eins in der Pfanne unserer Feriengäste.
Wo siehst du deine Zukunft – als Stadtrat und Unternehmer in Chemnitz oder als Landwirt in Mecklenburg?
Ich bin Unternehmer und Stadtrat in Chemnitz. Aber eben auch Landwirt und Inhaber eines Ferienhofes in Mecklenburg. Schon als Kind habe ich die Natur der Mecklenburger Seenplatte geliebt. Irgendwann werde ich mich dort zur Ruhe setzen. Aber wann? Das kann ich nicht sagen. Es ist nicht einfach, denn ich hänge sehr an meiner Heimatstadt Chemnitz. Und noch gibt es hier für mich einiges zu tun.
Du bist seit einigen Jahren Fraktionschef der Grünen im Chemnitzer Stadtrat. Macht das noch Spaß?
Stellen wir die Frage doch anders: Macht Arbeit Spaß? Klar macht jede Tätigkeit auf der einen Seite Spaß, aber manchmal hat man es eben auch satt. Zum Beispiel, wenn man Reden vom Rechtspopulisten Martin Kohlmann anhören muss, oder gute Anträge für den Papierkorb geschrieben hat.
Aber keine Sorge, noch bin ich nicht amtsmüde….
Du schreibst ein Buch über Parkanlagen in Chemnitz?
Es soll ein Buch entstehen! Vielleicht 2016. Jetzt ist erst mal ein Reise- und ein Museenführer entstanden. 2015 folgt wahrscheinlich ein Architekturbüchlein über Chemnitz.
Wie sehen für dich die städtischen Grünanlagen der Zukunft aus?
Natürlich Grün!
Was sollte sich ein Gast in Chemnitz unbedingt ansehen?
Beispielsweise die Weinstube von Karoline Wagner auf dem Kaßberg. Hier sitzen wir übrigens gerade beim besten Flammkuchen von Chemnitz und leckerem Wein.
Welche Wohngegend würdest du Neu-Chemnitzern empfehlen? Warum?
Da bin ich Patriot! Ein waschechter Homo sapiens kassbergensis. Auf dem Kaßberg lebe ich seit 47 Jahren, seit meiner Geburt.
Was fehlt in Chemnitz?
Eine Grüne Oberbürgermeisterin! Aber Barbara Ludwig hat ja noch ein paar Jahre Zeit, die Partei zu wechseln.
Das Interview führte Jörg Schuster.