Fashion Revolution Week in Chemnitz vom 19. – 22.04.
Am 24.04.2013 starben 1138 Menschen beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch. Über 2000 wurden verletzt. Trotz bedrohlicher Vorzeichen waren die Arbeiter:innen gezwungen worden, weiter im Gebäude Kleidung herzustellen – v.a. für europäische Marken wie Primark, Benetton, Mango oder C&A.
Die Ausbeutung von Mensch und Natur in der Textilindustrie ist seitdem Anlass für die Fashion Revolution Week. Vom 19. – 25. April findet sie auch wieder in Chemnitz statt. Mit vielfältigen Aktionen und Angeboten! Mit dabei ist auch die Professur für Textile Technologien der TU, der unser GRÜNES Mitglied Anna Lanfermann arbeitet.
Frage: Anna, wie lange bist du schon im Rahmen der Fashion Revolution Week aktiv und wie bist du dazu gekommen bzw. was motiviert dich für dein Engagement?
Mir wurde von zuhause aus ein großes Bewusstsein für Fairen Handel mitgegeben. Rana Plaza wird immer als der große Aufschrei gesehen. Aber dass die Bedingungen in der Modeindustrie schrecklich sind, wussten wir ja schon vorher. Ich erinnere mich, dass ich als Teenagerin im Laden einer großen Modekette war, in dem die Kleidung einfach achtlos auf dem Boden lag. Ich fand das so respektlos den Arbeiterinnen gegenüber, dass es mich zum Weinen gebracht hat. Von da an habe ich immer mehr meinen eigenen Konsum umgestellt. Durch den Wunsch, andere Menschen zu sensibilisieren, habe ich so ab 2012 Veranstaltungen zu dem Thema gemacht. Unter dem Namen Fashion Revolution Week haben wir von der NATUC (dem Referat für Ökologie und Nachhaltigkeit des Student:innenrats der TU Chemnitz) 2017 die ersten Aktionen hier in Chemnitz gemacht. Damals liefen Filmabende und Kleidertauschpartys richtig gut.
Du arbeitest am Lehrstuhl für Textile Technologien. Die meisten stellen sich darunter wahrscheinlich Webmaschinen und Nähmaschinen vor. Worum geht es bei deiner Arbeit genau?
Eigentlich geht es bei uns an der Professur genau um den Textilmaschinenbau, der hat ja in Chemnitz eine lange Tradition. Unsere Arbeitsgruppe fällt da etwas aus dem Rahmen, weil wir den Schwerpunkt Nachhaltigkeit bearbeiten. Ich selber habe auch gar nichts mit Textil studiert. Ich habe meinen Chef bei einem unserer Filmabende auf dem Podium kennen gelernt. Eingestiegen bin ich mit einem Projekt, in dem wir mit einer Uni in Bangladesch zu nachhaltiger Textilproduktion die Lehre überarbeitet haben. Aktuell wenden wir uns eher der Region zu und erstellen eine online Lernplattform für die sächsische Textilindustrie. Es geht um Grundlagenwissen, aber auch da versuchen wir immer die Auswirkungen auf Mensch und Natur mitzubedenken.
Bei Textilproduktion denken wir ja meistens an sogenannte Billiglohnländer. Gibt es denn eigentlich in Chemnitz noch Textilunternehmer*innen und Produzent*innen?
Die Frage höre ich oft. Ja gibt es! Sowohl in Chemnitz als auch im Umland. Gleich hier auf dem Brühl um die Ecke vom GRÜNEN Büro haben wir mehrere Siebdruckereien und Labels. Neben diesen handwerklichen Betrieben gibt es auch noch eine Bekleidungsindustrie in Chemnitz und Sachsen. Es sind natürlich lange nicht mehr so viele Betriebe wie vor der Wende. Theoretisch könnten wir hier noch alles vom Flachsanbau übers Spinnen, Färben, Stricken oder Weben bis zum Nähen ausführen. In der Realität kommen zumindest die Rohstoffe dann trotzdem oft nicht aus der Region. Aber es ist Potential da und das wollen wir im Rahmen der Fashion Revolution Week auch sichtbar machen.
Übrigens machen Bekleidung und Heimtextilien in Sachsen nur etwa ein Drittel der Produktion aus: Zu Textilien gehören beispielsweise auch Vliese zum Schutz von Pflanzen in der Landwirtschaft oder die glasfaserverstärkten Kunststoffe, aus denen Windräder bestehen. Auf diesen sogenannten technischen Textilien liegt der Schwerpunkt hier in Sachsen.
Die Tragödie von Rana Plaza 2013 hat schmerzhaft gezeigt, dass die Arbeiter*innen in den Textilfabriken Bangladeschs mit ihrem Leben für die sogenannte Fast Fashion bezahlen. Aber auch die Umwelt wird durch die Herstellung von Kleidung stark belastet. Der Wasser verschlingende Anbau von Baumwolle, der Einsatz von giftigen Färbemitteln und der Transport der Kleidung durch die halbe Welt – wo können wir ansetzen, um Kleidung und Umwelt nachhaltig in Einklang zu bringen?
Wir als grüne Partei? Ein ordentliches Lieferkettengesetz ist wichtig für die Verantwortung den Arbeiter:innen gegenüber. Da sind wir als GRÜNE ja auch dran. Gleichzeitig müssen wir es auch fördern, wenn Unternehmen hier vor Ort nachhaltig produzieren. Die Textilindustrie ist zum Beispiel für 10 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Bepreisung von CO2 wirkt sich also nicht nur auf den Energie- und den Verkehrssektor aus, sondern auch auf den Preis unserer Kleidung. Wenn wir die Kosten, die aktuell die Umwelt und Menschen in entfernten Ländern tragen, endlich im Preis abbilden, wird zukunftsfähig produzierte Kleidung auch im Preis konkurrenzfähig.
In Bezug auf den persönlichen Konsum macht es einem die Textilproduktion nicht leicht. Sie ist so komplex, dass es dort leider echt viel zu beachten gibt. Das ist als Laie fordernd. Trotzdem kann jede:r etwas tun. Kleidung nur kaufen, wenn man sie braucht, auf Siegel wie GOTS oder FairWear achten und gucken, ob die Kleidung aus Naturfasern wie Wolle oder Leinen oder aus erdölbasierten Fasern wie Polyester ist. Wer einen Schritt weiter gehen möchte, kann die Modehersteller anschreiben und fragen, wie die Bekleidung produziert wird. Die Frage „Who made my clothes“ zu stellen ist ein Element der Fashion Revolution Week. Das kann man natürlich das ganze Jahr über machen.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Modemarken, die mit verschiedenen Siegeln zertifiziert sind und fair für Mensch und Umwelt produzieren. Im Unikate Laden in Chemnitz findet sich zum Beispiel eine schöne Auswahl davon. Trotzdem können sich nicht alle diese preisintensive Kleidung leisten. Was kann ich als Chemnitzerin in diesem Fall tun?
Bei Kult-Design-Unikate und bei Liese-Lotte, Riinstok, Spangel-Tangel, … zum Glück haben wir mittlerweile eine Auswahl. Da tut sich gerade richtig viel.
Aber zu deiner Frage: Wenn wir bei Mode über Nachhaltigkeit reden geht es auch um Langlebigkeit – emotional und materiell. Wir schmeißen viel zu viele tragbare Kleidung weg, weil sie uns nicht mehr gefällt oder passt. Mode ist ein emotionales Thema, weil wir darüber kommunizieren, wer wir sind. Wer auf einen zeitlosen Stil achtet, kann seine Kleidung auch mehrere Jahrzehnte lang tragen. Dann relativiert sich auch wieder der Preis. Meinen grünen Mantel habe ich mir 2009 gekauft und trage ihn jede Saison gerne. Da musste ich auch immer mal ein Knopf neu annähen oder das Innenfutter ausbessern. Wer auch so Lieblingsstücke hat, die aber eine Ausbesserung brauchen, kann sich übrigens Anregungen in unserem Repair Café am 20.4. holen.
Günstige Kleidung haben wir ansonsten in unserer Gesellschaft im Überfluss: In 2nd Hand Läden, auf den entsprechenden Portalen online oder im Freundeskreis kann man gebrauchte Kleidung preiswert kaufen oder geschenkt bekommen. Die Stücke weiter zu verwenden ist auf jeden Fall nachhaltiger als konventionelle Neuware zu kaufen. Wenn man da noch ein bisschen selber umnäht und aufhübscht hat man auch Unikate, zu denen man einen Bezug hat und sie deswegen länger nutzt.
Was den Preis angeht ist C&A ein gutes Beispiel. Die verteilen die Mehrkosten von Bio-Baumwolle auf ihr gesamtes Sortiment. So ist ein Bio Shirt dort nicht teurer ein konventionelles Produkt. Aber: Nur weil bio drauf steht ist es nicht 100 % nachhaltig, weil z. B. trotzdem in der Verarbeitung noch Chemikalien zum Einsatz kommen können.
Noch einmal zurück zur Fashion Revolution Week! Welche Veranstaltung sollten die Chemnitzer*innen auf keinen Fall verpassen?
Wir wollen dieses Jahr zeigen, dass Bekleidung auch vor Ort produziert wird. Deswegen gibt es eine Podiumsdiskussion, in der wir lokale Unternehmer:innen fragen, warum sie hier produzieren. Das ist mein persönliches Highlight. Zusätzlich stellen wir auf unserem Instagram Kanal wir jeden Tag ein Unternehmen aus der Region vor. Da wollten zu unserer großen Freude mehr mitmachen, als wir gebraucht hätten, um die Woche zu füllen.
Vielen Dank für das Interview! Alle Informationen zu den Veranstaltungen der Fashion Revolution Week findet ihr hier: https://www.tu-chemnitz.de/mb/tt/veranstaltungen.php
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