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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Chemnitz

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Wahlprüfsteine zur „Freien Kultur“ der Handelsorganisation Kultur (HOK)

Die Handelsorganisation Kultur hat im Vorfeld der Kommunalwahl die Parteien um Informationen zu ihren Schwerpunkten in der Kulturpolitik gebeten. Hier sind die kulturpolitischen Ziele der GRÜNEN, aufgeschrieben von unserem Kulturexperten Thomas Lehmann:

  1. Was verstehen Sie unter „Freier Kultur“ und welche Bedeutung hat diese, ihrer Ansicht nach, in einer Kommune? Freie Kultur ist jede Art von Kultur, die sich nicht in der Trägerschaft der „öffentlichen Hand“, also von Bund, Ländern, Kommunen oder mit ihr verbundener Institutionen befindet.
    Freie Kultur wird von Bürgern für Bürger gemacht. Gerade die Freie Szene macht Städte vielfältig, bunt und lebenswert. Sie zieht junge Menschen an und ist teilweise auch ein niederschwelliges Angebot um an die „hohe Kunst“ herangeführt zu werden. Manchmal ist sie sogar die „bessere Jugendhilfe“.
  2. Wie hoch
    Thomas Lehmann
    Thomas Lehmann

    ist der Anteil der freien Kulturförderung am gesamten Kulturhaushalt der Stadt Chemnitz? Finden Sie es notwendig, dass dieser Anteil erhöht wird? Zirka 4 Prozent. Je nachdem was man den Kulturetat und was man der Freien Szene (beispielsweise NSG?) zurechnet. Der Anteil für die Freie Szene sollte auf mindestens fünf Prozent des Gesamtkulturetats angehoben werden. Das ist eine Idee von mir, die ich mir in Leipzig abgeschaut habe. Diese Idee gilt es weiterzuentwickeln. In den letzten Jahren habe ich versucht, Verbündete im Stadtrat dafür zu finden. Leider ist das nicht einfach. Ein erster Schritt wäre aus meiner Sicht, den Etat für die Freie Szene dauerhaft um 120.000 EURO anzuheben, damit nicht jedes Jahr das Tauziehen um die Kulturgelder alle Nerven raubt und endlich etwas mehr Sicherheit für die Träger gegeben ist.

  3. In den nächsten Jahren könnten weitere Konsolidierungsmaßnahmen notwendig werden. Welche Bereiche der Kultur sind in Ihren Augen unverzichtbar? Alle Bereiche sind unverzichtbar. Kürzungen gehen nach hinten los. Damit wird die Stadt unattraktiver und ärmer. Nicht nur an Kultur, sondern auch an Menschen und damit auch an Steuereinnahmen.
  4. In den Kultureinrichtungen stieg in den letzten Jahren für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter_Innen zunehmend der bürokratische Anteil auf Kosten der Kulturarbeit. Wie würden Sie diesen Vorgang umkehren? Es braucht dringendst neue Förderrichtlinien. Einfachere Beantragung und Abrechnung, möglichst sogar eine Budgetierung. Das spart Zeit und Geld bei den Träger und in der Stadtverwaltung. Ich wünsche mir auch ein starkes Kulturbüro oder -amt, welches die Träger besser über Fördermöglichkeiten berät, mit ihnen Anträge ausfüllt und bei den Abrechnungen hilft. Und wenn sich neue Initiativen dort melden, sollte Ihnen der Weg durch den Ämterdschungel erleichtert werden.
  5. Die Stadt Chemnitz hat seit dem Auslaufen Ende 2012 keinen Kulturentwicklungsplan mehr. Derzeit ist ein neues Papier in Arbeit. Wie würde Ihr persönlicher Kulturentwicklungsplan aussehen? Ich wünsche mir einen, der ähnlich wie der Sportentwicklungsplan aufgebaut ist. Mit Schwerpunktsetzungen wie beispielsweise bei der Filmförderung und im OFF-Theaterbereich. Dort haben wir sehr viele gute Ansätze. Ich wünsche mir für Chemnitz eine institutionell geförderte OFF-Theaterbühne wie in Dresden und Leipzig.
    Ganz wichtig ist eine Analyse der notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen in kulturellen Einrichtungen. Diese müssen auch mit Zahlen untersetzt werden und im Haushalt der Stadt Chemnitz eine Widerspiegelung finden.
    Ganz wichtig ist vor allem auch die Förderung neuer Projekte. Das erhöht die Vielfalt, weckt Interesse an Kultur und macht unsere Stadt bunter.
  6. Welche qualitativen Maßstäbe setzen Sie an kulturelle Veranstaltungen? Das ist sehr subjektiv. Ich möchte immer etwas mitnehmen: Ein Grinsen im Gesicht, etwas mehr Wissen im Gehirn, ein Staunen oder einfach nur Begeisterung.
  7. Um auf einem qualitativ hochwertigen Niveau arbeiten zu können, ist es notwendig, eine ausreichende Infrastruktur (Technik,…) zu besitzen aber auch zu erneuern. Wie können Vereine, die Häuser unterhalten, Rücklagen aufbringen, aus denen Sie diese Investitionen tätigen können? Wie können strukturelle Strategien dafür aussehen? Auch dafür benötigen wir neue Förderrichtlinie, die es zuläßt, dass diese Investitionen wie auch im Jugendhilfebereich überhaupt beantragt werden können. Aber wir brauchen dann auch die 5 Prozent. Wo sollte denn sonst das Geld herkommen.
  8. Wie wollen Sie durch Ihr Amt der freien Kultur erhöhte Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung verschaffen? Wie ich es auch schon bisher getan habe. Veranstaltungen wahrnehmen, darüber erzählen, im Stadtrat immer wieder die Wichtigkeit der Freien Szene für unsere Stadt unterstreichen und auf Probleme hinweisen. Dasselbe gilt für die Pressearbeit.
  9. Halten sie es für sinnvoll, Kulturvereine mit längerfristigen, mehrjährigen (Fördermittel-)Zusagen und Verträgen auszustatten? Grundsätzlich halte ich das für sinnvoll. Ich würde gern zwei Arten der Förderung einführen. Eine mehrjährige für Vereine, die Häuser bewirtschaften, welche allen offen stehen. Die Häuser mit ihrer Infrastruktur und der Verwaltung sollte man mehrjährig institutionell fördern, um Planungssicherheit zu erreichen. Auch bei einzelnen Projekten kann ich mir vorstellen, sie mehrjährig zu fördern, wenn sie über Jahresgrenzen hinweg durchgeführt werden sollen.
    Die normale Projektförderung sollte aber weiterhin jährlich erfolgen. Sie muss auch immer wieder auf den Prüfstand. Sonst haben neue Projekte keine Chance. Aber wir müssen es auch schaffen, das Projekte, die im Januar bis März stattfinden sollen, eine Berücksichtigung finden können. Denn Kultur findet nun mal im ganzen Jahr statt.
  10. Angenommen, die 5% für die freie Kultur werden umgesetzt. Aus welchen Quellen sollten sich diese finanzieren: Aus zusätzlich bereitgestellten Mitteln oder aus den Töpfen der großen städtischen Kultureinrichtungen? Warum? Ganz klar, aus zusätzlich bereit gestellten Mitteln. Es handelt sich um ca. 300.000 EURO. Das ist in Etappen bis spätestens 2018 machbar. Auch die Steuereinnahmen steigen. Und man kann auch mal auf den Neubau eines weiteren Autobahnzubringers oder einer vierspurigen Stadtstraße verzichten.
    Sie den „großen“ städtischen Kultureinrichtungen wegzunehmen, wäre töricht. Es sei denn, man möchte das Chemnitz kein Oberzentrum mehr ist und seine Ausstrahlung über die Stadtgrenzen hinaus komplett einbüßt. Chemnitz braucht ein A-Orchester, eine gute Musikschule und große Ausstellungen in den Kunstsammlungen. Das sind wichtige weiche Standortfaktoren für Wirtschaftsansiedlungen und für Fachkräfte. Außerdem sind sie wichtige Bestandteile unserer Bildungslandschaft. Und die braucht Qualität.
  11. Wie wollen Sie der zunehmenden Belästigung durch Lärmklagen entgegen wirken? Ganz realistisch: Ich persönlich kann als Stadtrat wenig dagegen tun. Außer vermitteln, wenn es gewünscht ist. Etwas erreichen kann man durch das Ausweisen von Misch- statt Wohngebieten. Aber viel hilft das am Ende auch nicht. Wenn sich die Gesetzeslage nicht ändert, wird es wohl auch die nächsten Jahre nicht einfacher werden. Viel mehr als eine kluge Standortwahl für neue Wohngebiete, neue kulturelle Einrichtungen, guten Lärmschutz und reden kann man wohl kaum tun.

Die kulturpolitischen Ziele der anderen Parteien und Wählergemeinschaften finden Sie ebenfalls auf den Seiten der Handelsorganisation Kultur.

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