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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Chemnitz

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Rede OSTRALE: keine Sonderstellung, sondern Freie Szene gleichstellen

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Gäste,

als Kulturpolitiker bin ich umso glücklicher, je mehr Kunst- und Kulturveranstaltungen in Chemnitz stattfinden.

Zweimal konnte ich die OSTRALE schon besuchen. Es scheint mir gefallen zu haben, sonst hätte es kein zweites Mal gegeben. Auch weil die OSTRALE eben keine reine Kunstausstellung, sondern eher ein Kunstfestival ist – ähnlich wie die IBUG oder die Begehungen, aber eben doch ganz anders. Alle haben aber eins gemeinsam. Sie geben jungen, teilweise unbekannten Künstlern eine Chance und sie locken viele junge Menschen an, die oft nur schwerlich einen Schritt über die Schwelle von Kunstsammlungen wagen.

Wir sollten der OSTRALE eine Chance geben. Eine Chance, Chemnitz und die Chemnitzer zu entdecken. Das ist sicherlich ein großes Experiment. Ob die OSTRALE wirklich zu Chemnitz und Chemnitz zur OSTRALE passt, das kann nur die Zukunft zeigen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

machen wir uns nichts vor, der heutige Beschlussantrag ist mehr als nur ein Prüfauftrag. Denn wenn wir heute ja sagen, dann ist das schon wie eine Verlobung, von der man nur schwerlich zurücktreten kann. Bis zur Hochzeit geht es eigentlich nur noch darum, die Bedingungen auszuhandeln. Nicht mehr um das ob, sondern nur noch um das wie. Denn mit dem heutigen  Beschluss wird die OSTRALE-Chefin Frau Hilger auf die Fördermittelgeber zugehen. Es gibt dann kaum noch ein Zurück, ohne Gesichtsverlust für beide Seiten. Das muss man ehrlich sagen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

sie wissen, ich bin ein Mensch ehrlicher Worte. Ein paar Bauchschmerzen habe ich schon. Es hat schon ein leichtes Geschmäckle, wenn sich zwei Kulturhauptstadtmitbewerber um ein Kunstfestival streiten. Das darf nicht zur Alltäglichkeit werden, denn dabei können alle Beteiligten nur verlieren.

Wir wären auch nicht unbedingt amüsiert, wenn eine andere Stadt beispielsweise für den Schlingel viel Geld bietet und uns ein so wichtiges Event abjagt.

 

Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

ein Wechsel der OSTRALE nach Chemnitz ist trotzdem für beide Seiten eine Chance. Die Kunst- und Kulturlandschaft unserer Stadt gewinnt, aber auch die OSTRALE kann eine Entwicklung erfahren. Auch durch die geplanten höheren kommunalen Zuschüsse, die sich in Dresden auf 83.000 Euro beliefen und in Chemnitz bis zu 250.000 Euro betragen können.

So eine Entwicklung würden sich aber auch viele Chemnitzer Akteure der Freien Kulturszene wünschen. Und damit komme ich zum Änderungsantrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU/FDP und VOSI/Piraten.

 

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Gäste,

wir wollen keine Neiddebatte.

Das setzt gleiche Chancen, gleiche Möglichkeiten, gleiche Rechte und Pflichten für alle Akteure der freien Szene voraus. Schon jetzt haben wir eine komplizierte Situation, die es nicht weiter zu verkomplizieren gilt.

Mal ein Beispiel. Wir wissen, es gibt da ein Sommer-Open-Air auf dem Theaterplatz, welches ca. 100.000 EURO Defizit eingefahren hat. Wir wollen es trotzdem und das ist gut so. Also werden wir das Defizit demnächst ausgleichen.  Und es gibt da ein hervorragend organisiertes Hutfestival mit über 50.000 Besuchern. Und das ist gut so. Das Defizit von fast 200.000 EURO gleichen wir über den städtischen Zuschuss aus. Und jetzt soll es die OSTRALE geben, der wir für ihre Entwicklung bis zu 250.000 Euro in die Hand geben. Das ist hoffentlich auch gut so.

Aber es gibt eben auch herausragende Akteure der Chemnitzer Freien Szene, die mindestens ein ähnlich hohes Kreativitätspotenzial besitzen und mit noch viel mehr Kreativität ihre Veranstaltungen finanzieren müssen und das meist komplett ehrenamtlich. Vor zwei Tagen riefen mich die Veranstalter vom neuen Festival Pochen an. Sie befassen sich in diesem Jahr mit der Wismutgeschichte. Ein sehr interessantes, aber auch belastetes Thema, an das sich kaum ein Sponsor traut. Ihnen fehlen derzeit 6.000 EURO. Sie wissen nicht, woher das Geld nehmen, denn niemand steht zum Ausgleichen des Budgets bereit. Das ist die bittere Realität. Derzeit haben eben die einen Chancen und Möglichkeiten, die anderen leider weniger. Sicherlich werden wir diesen Konflikt nie gänzlich auflösen. Aber abmildern können wir ihn schon.

Den Chemnitzer Machern von beispielsweise den Begehungen, den Tagen der Jüdischen Kultur, des Schlingels, von Fête de la musique, unentdeckte Nachbarn oder des Mozartfestes fehlt es keineswegs an Kreativität, sondern häufig nur an personellen und finanziellen Ressourcen.

Jetzt, da es Chemnitz finanziell wieder besser geht, müssen wir auch diesen Akteuren besser unter die Arme greifen, die in finanziell schlechten Zeiten zu Chemnitz gestanden und unsere Stadt bunt und lebenswert gemacht haben. Das erfordert der Anstand.

Und wir werden das im Budget der Freien Szene auch können. Durch die Tariferhöhungen im Theater und den anderen städtischen Kulturbetrieben steigt der Kulturhaushalt um ca. 6 Mio EURO. Davon sind 5% Prozent ca. 300.000 EURO. Mit der Fünf-Prozent-Regelung für die Freie Szene haben wir wirklich einen großen Wurf gemacht und zumindest für etwas mehr Fairness gesorgt.

Lassen sie uns die OSTRALE nicht als Sonderprojekt behandeln, sondern auf eine Stufe mit den anderen Akteuren der Freien Szene stellen. Deshalb soll das Budget auch in die Freie Szene eingeordnet werden. Deshalb soll der Kulturbeirat und -ausschuss ein Mitspracherecht erhalten. Deshalb sollen gleiche Bedingungen wie beispielsweise die Möglichkeit einer mehrjährigen Fördergarantie für alle Träger gelten. Deshalb soll ein Konzept entstehen, durch welches wichtigen Marken der Freien Szene eine ähnliche Entwicklung wie der Ostrale zuteil werden kann.

Unsere Kulturhauptstadtbewerbung muss von innen heraus wachsen. Vor allem unsere bestehenden Marken müssen wir stärken und entwickeln. Für die Bewerbung brauchen wir ihre Macher mehr denn je.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen sie uns heute mit diesem Beschluss und unserem Änderungsantrag der OSTRALE und allen anderen Kulturprojekten der Freien Szene Chancen und Möglichkeiten eröffnen.

Lassen sie uns etwas Neues und Spannendes wagen.

Danke.

 

 

 

 

 

 

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